Neueste Rechtsprechung des EuGH stärkt Lebensmittelindustrie: EuGH-Urteile vom 23.11.2016 (C-177/15) und vom 19.01.2017 (C-228/15)
Das Lebensmittelrecht ist nicht nur Gegenstand regelmäßiger neuer Gesetzgebungsmaßnahmen auf nationaler und neuerdings vor allem auf europäischer Ebene, es ist auch stark geprägt durch die einschlägige Rechtsprechung. Da sich die Gesetzgebungsinitiativen mehr und mehr vom nationalen Recht auf die europäische Ebene verschoben haben, kommt hier deshalb mehr und mehr auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs eine besondere Bedeutung zu. Nun liegen zwei aktuelle Urteile des EuGH vor, die für die Lebensmittelpraxis von erheblicher Bedeutung sind.
1. Urteil vom 19.01.2017
Mit dem Urteil vom 19.01.2017, C-282/15 hat der EuGH bestätigt, dass das deutsche Zusatzstoffrecht gemäß § 2 Abs. 3 LFGB, das ernährungs- physiologische Zutaten fiktiv den technologischen Zusatzstoffen gleichstellt und damit eine Zulassungspflicht gefordert hat, europarechtswidrig sein dürfte. Das Verwaltungsgericht Braunschweig hatte diesbezüglich eine entsprechende Vorlagefrage an den EuGH gestellt.
Das VG Braunschweig fragte den EuGH, ob die Art. 14, 6, 7, 53 und 55 der VO 178/2002 und Art. 8 der VO 1925/2006 sowie die Art. 34 bis 36 AEUV so auszulegen seien, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, die das Herstellen oder Behandeln und das Inverkehrbringen eines Nahrungsergänzungsmittels mit Aminosäuren verbietet, soweit nicht die für eine im Ermessen der nationalen Behörde liegende befristete Ausnahmegenehmigung erteilt wird.
In Deutschland gab es immer die Versuche der Überwachungsbehörden, die Verkehrsfähigkeit von Nahrungsergänzungsmitteln mit Aminosäuren im Hinblick auf § 2 Abs. 3 LFGB zu hinterfragen, da darin vorgesehen ist, dass für Aminosäuren, aber z.B. auch für Vitamin A und D vor dem Inverkehrbringen einer Genehmigung bedürfen. In anderen europäischen Mitgliedsstaaten gab es eine solche Notwendigkeit nicht, dort waren die Produkte vielmehr frei verkehrsfähig.
(…)